Arcangelo Sassolino

Galerie Nicola von Senger freut sich, Arcangelo Sassolinos (*1967, Vicenza) zweite Einzelausstellung in Zürich zu präsentieren.

Sassolinos Werk legt einen Fokus auf industrielle Prozesse und Materialien. Seine Objekte und Installationen untersuchen mechanische Abläufe, Materialen und Kräfteverhältnisse. Die massive Realität der Werke ist Zielobjekt jener Kräfte, die deren physische Beständigkeit in Raum und Zeit in Frage stellen. Diese Kräfte sind integraler Bestandteil seiner Werke und führen dazu, dass eine Charakterisierung seiner Arbeiten als pure Objekte zur unzureichenden Beschreibung wird. Sassolino’s performative Skulpturen sind nicht funktional, aber sie funktionieren – die Funktionalität ist ihre Schönheit. Denn nur in den Grenzzonen einer rationalistischen Funktionalität werden neue Relationen erzeugt. Es liegt in der Natur von Arcangelo Sassolinos Werk, ganz gezielt rezeptionstechnische Unschärfen zu erzeugen, offene Metaphern zu formulieren, Reflexion zu stimulieren. Von seinen Arbeiten geht eine Dynamik aus, die leise aber bestimmt durch den Raum zu schwingen scheint und ihren Nachhall in der Fragilität des Lebens und seiner Attribute findet.

Mit dem Betreten der Galerie wird eine solche Spannung schnell spürbar. Die aus Stahl gefertigte Arbeit Figurante (2010) zerbeisst langsam aber unaufhaltsam den massiven Knochen eines frisch geschlachteten Ochsen. Es ist eine faszinierende und zugleich beunruhigende Demonstration von Kraft, von Macht. Durch seine blosse Anwesenheit und die Ohnmacht dem Vorgang gegenüber, wird der Zuschauer zum Komplizen des Maschinen-Ungetüms, welches im Kräftemessen zwischen Technik und Natur letztlich obsiegt. Die unmittelbare Heftigkeit und rohe Gewalt, mit welcher der Betrachter konfrontiert wird, verwickeln diesen in Assoziationen mit Kunst, die nicht nur intellektuell sondern auch physisch sind. Unruhe, ja gar ein Gefühl der Bedrohung schwingt mit. 

Ein scheinbar organisches, regelmässiges Ein- und Ausatmen ist aus einer anderen Ecke der Galerieräumlichkeiten vernehmbar. Die Konstruktion mit ihrer klinisch sauberen und kalten Oberfläche pumpt Luft in eine gewöhnliche Bettflasche und erlaubt dieser so, ein ungekanntes Leben zu führen, zweckentfremdet und eingeschränkt, in Abhängigkeit der Maschine.

Unconsciousness (2008) kann als Reflexion des Spitallebens verstanden werden. Das Werk verweist dabei auf jenen Geisteszustand, der den Koma-Patienten zugeschrieben wird, auf eine Vision von Temporalität fernab vom Bewusstsein über Zeit.

Als Sub-Spezies der unzähligen Maschinen, auf die sich die Gesellschaft tagtäglich verlässt, scheinen Sassolinos Werke ein eigenes Leben zu führen, das sich der menschlichen Kontrolle immer wieder erfolgreich entzieht. Weder Wort noch Schrift vermögen das so starke, unbestimmte Gefühl zu erfassen, welches der Besucher vor Ort erlebt. Es ist wohl jene zeitlose Empfindung, die eng verknüpft mit der existentiellen Sinnfrage, die Menschheit schon jeher beschäftigt hat. Ein Gefühl, das zum Menschsein gehört wie Leben und Tod – die Zeitlosigkeit im Kontrast mit der Vergänglichkeit des Moments, dem Hier und Jetzt.

Alexandra Gmür, Juli 2010



Arcangelo Sassolino

Galerie Nicola von Senger is very pleased to present Arcangelo Sassolino’s second solo-exhibition in Zurich.

Arcangelo Sassolino was born 1967 in Vicenza. The Italian artist’s work focuses on industrial processes and materials. His objects and installations explore mechanical behaviours, materials, and physical properties of force. The solid reality of the objects is subject to forces that question its physical solidity in time and space. These forces are integral to the work and surpass its state of pure “objecthood”. Sassolino’s performative sculptures are not functional, but they function – the functionality is its beauty. And only at the border zones of rational functionality will new connections be developed. It is the nature of Sassolino’s work to create targeted blurring of perception, the formulation of open metaphors, response to stimuli. Condensed within his works is a dynamic that resonates with the fragile conditions we are all surrounded by.

Entering the gallery space, there is almost immediately an anticipation of tension. Figurante (2010), carved from steel is slowly but inexorably biting on a massive bone of a freshly slaughtered ox. It’s a fascinating yet disturbing demonstration that implicates the viewer in the process of machine defeating nature. The violence of the work engages the spectator in an association with art which is not only intellectual but also physical and triggers a sensation of disquietude, even impending menace.

From another corner the sound of an organic and regular breathing can be heard. The construction with its clean and cold surface is pumping air into a common hot water bottle, enabling it to seethe a handicapped life previously unknown to its quotidian one. Unconsciousness (2008) can be understood as a reflection on hospital life. It refers to the state of mind which we attribute to someone in a coma, a vision of time passing in a state that is no longer conscious.

As sub-species to the many machines society relies on, Sassolino’s works seem to live a life of their own, allowing for human control only to a certain extent. It is impossible to express by text, what powerful sentiments visitors may experience. It’s a timeless sentiment closely linked to the existential question, which mankind has faced at any age, at any place, contrasting with the caducity of the moment and the volatility of the present.

Alexandra Gmür, July 2010



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